Fachgespräch mit Bundestagsabgeordneten
Regionale Stiftung "Kinder in Not" sieht mit Sorge eine Zunahme der Kinderarmut auch in unserer Region
Fachgespräch mit Bundestagsabgeordneten
Bild: Caritas-Fachleiterin Sara Sigg (r.) und Regionalleiter Peter Grundler (l.) mit den Bundestagsabgeordneten und den Vertreter*innen der Fachdienste
Im Rahmen eines Fachgespräches mit den drei Bundestagsabgeordneten des Wahlkreises Biberach, Martin Gerster (SPD), Anja Reinalter (Grüne) und Josef Rief (CDU) sowie Vertreter*innen aus Schulsozialarbeit, Kindertagesstätten, Schulen, Jugendamt und der regionalen Stiftung "Kinder in Not", wurden Lebenssituationen von Kinder und Jugendlichen aufgezeigt und die Folgen von Armut beschrieben.
Mit Sorge, so Peter Grundler, Regionalleiter der Caritas Biberach-Saulgau und Geschäftsführer der Stiftung "Kinder in Not", die zum Fachgespräch einlud, beobachten die Verantwortlichen die Zunahme der Hilfeanträge aufgrund von wirtschaftlichen Notlagen. Besonders betroffen sind Alleinerziehende und Eltern die ihren Lebensunterhalt im Niedriglohnbreich verdienen. Verstärkt wird die schwierige Lage der Eltern und ihrer Kinder aktuell durch die Inflationsrate, steigende Energiekosten und Folgen der Pandemie.
Dass diese Armut kein Phänomen des städtischen Umfeldes ist, wurde anhand der Beispiele schnell deutlich. So waren bei den von der Kinderstiftung unterstützen 1.079 Kindern und Jugendlichen in 542 Fällen immer auch die prekäre wirtschaftliche Situation mit ein Grund für die Notlage. Von den 375 Hilfeanträgen waren allein 170 Anträge von alleinerziehenden Elternteilen. Im Jahr 2022 gab es 17 Familien mit 35 Kindern die wohnungslos wurden. Die Mietsituation und Mietobergrenzen bei Regelleistungen verstärken den Druck ebenfalls.
Deutlich beschrieben wurden die Auswirkungen: Kinderarmut bedeutet nicht nur eine wirtschaftliche Notlage, sondern wirkt sich auf Bildungsmöglichkeiten, gesellschaftliche Teilhabe, Gesundheit und Entwicklungsmöglichkeiten aus. Der tägliche hohe Druck, der auf den Eltern oder Elternteilen lastet, um den Alltag zu managen, macht es oft unmöglich, die Kinder angemessen zu unterstützen, weil einfach die Energie fehlt. Die Auseinandersetzung mit Behörden und lange Bearbeitungszeiten für Regelleistungen verstärken den Druck nochmals.
Zahlreiche Eltern oder Elternteile arbeiten oft 40 bis 50Stunden in der Woche, sind aber aufgrund einer Tätigkeit im Niedriglohnbereich dennoch auf ergänzende staatliche Transferleistungen angewiesen.
Die interessierten Rückfragen der Bundestagsageordneten machten deutlich, dass die Anliegen der Fachleute verstanden wurden.
Klar war, dass es zum einen dringend einer Zusammenführung von verschiedenen Unterstützungsleistungen bedarf um die Übersichtlichkeit sowie die Wirkung von Hilfen zu erhöhen. Gleichzeitig aber auch den bürokratischen Aufwand zu minimieren, der alle Beteiligten, auch auf Seiten der Ämter und Verwaltung, an die Grenzen bringt.
Eine weitere Erkenntnis war, dass es auch einer Koordination von Hilfen, verbunden mit einer Lotsenfunktion bedarf. Inwieweit hier das neue Kinder-und Jugendstärkungsgesetz und die einkommensabhängige Kindergrundsicherung helfen, bleibt abzuwarten. Die Einführung ist aber ein wichtiger Schritt in die richtige Richtung.
Die drei Politiker*innen nahmen zudem die praktischen Beispiele als wertvolle Anregungen für ihre eigene politische Arbeit mit. Zudem zeigten Sie sich über das Engagement der Einrichtungen in der Kinder- und Jugendhilfe beeindruckt.
Ein wichtiger Impuls waren an diesem Abend neben den Problembeschreibungen auch die gelungenen Beispiele von Angeboten, durch die Kinder und deren Eltern unterstützt werden. So wurde das bei der Caritas Biberach angesiedelte Projekt "Lernbegleitung" vorgestellt, welches zwischenzeitlich mit einer großen Zahl von ehrenamtlich Engagierten Kinder und Jugendliche unterstützt, die aufgrund der Pandemie den schulischen Anschluss verloren haben.
Andere Projekte, wie zum Beispiel "Kinderchancen", zielen auf die Förderung von Begabungen von Kinder und Jugendlichen ab. Die Stärkung des Selbstwertgefühles, das Gefühl etwas zu können, ist hierbei zentrales Ziel.
Deutlich wurde, dass die Vernetzung von Angeboten und die Beteiligung von Betroffenen von großer Bedeutung ist. Diesem Zweck dienen auch solche Fachgespräche mit politisch Verantwortlichen.
Ergebnis es Abends: Über alle Parteigrenzen hinweg ist das Anliegen und die Sorge für gute Lebens- und Entwicklungsbedingungen bei Kindern und Jugendlichen als Auftrag für die politische Arbeit gut aufgenommen worden und die Bereitschaft für einen weiteren Praxisdialog vorhanden.