Wie Traumata Generationen prägen
Biberach. Der Vortrag "Psychische Traumata bei Migranten und ihre Auswirkungen auf die Folgegeneration", der auf Einladung des Migrationsdiensts der Caritas Biberach-Saulgau im Alfons-Auer-Haus in Biberach zu hören war, hatte eine gute Resonanz.
Referentin Sabine Arnold, Leiterin der Sinn-Stiftung (Seelsorge in Nürnberg) und promovierte Historikerin hat sich in der Endphase der Sowjetunion intensiv mit der Geschichte der Deutschen aus Russland beschäftigt. Ausgehend von diesen Erfahrungen entstanden später Beiträge im Deutschlandfunk und Arte mit einer Spezialisierung auf das Thema "Traumata von Deutschen aus Russland und deren Wirkung auf Folgegenerationen".
Gut 100 Besucher, unter ihnen zahlreiche ehrenamtlich Engagierte, aber auch viele pädagogische und therapeutische Fachkräfte, erlebten einen strukturierten Vortrag, beginnend bei Basisinformationen zu Trauma-Erfahrungen bis hin zur aktuellen Forschung bezüglich Vererbbarkeit dieser Erlebnisse. Diese ergänzte Arnold durch Beispiele und Erfahrungen ihrer Tätigkeit als Seelsorgerin für Deutsche aus Russland.
Oft tritt als Folge eines Traumas eine posttraumatische Belastungsstörung auf. Arnold erläuterte verschiedene Formen dieser massiven Störung und ermutigte Betroffene dringend, diese Krankheit behandeln zu lassen.
Symptome erlittener Traumata wie Zwangshandlungen, Schlaflosigkeit, chronische körperliche Schmerzen oder Erkrankungen, Aggressionen, plötzliche Verhaltensänderungen, psychische Erkrankungen wie Depressionen können auch bei Folgegenerationen ein Hinweis auf unverarbeitete Folgen einer Traumatisierung von Eltern oder Großeltern sein. Weitergegeben wird sie über das Verschweigen von Erlebtem (sogenannte Familiengeheimnisse). Kinder "erben" buchstäblich die Angst der Eltern. Außerdem wird vermutet, dass sich die Enkelgeneration noch weit mehr als die Kinder mit der Opferrolle der Erlebnisgeneration identifizieren, solange ein Trauma unbearbeitet im Hintergrund wirkt. Auch die Verdrängungsleistung einer Kultur spielt eine wichtige Rolle. Die Kinder und Enkel tragen dann weiter an den unausgesprochenen Schmerzen ihrer Vorfahren.
Traumaberatung und -therapie dient der Stabilisierung dieser Personen, ist aber ein langer und beschwerlicher Weg. Was wirkt, sind "Werkzeuge", die der Klient erlernt und mit denen er seine Handlungsfähigkeit zurückbekommt, basierend auf der Erkenntnis: "Ich bin nicht mein Trauma."
In einer anschließenden Diskussionsrunde ging Arnold noch ausführlich auf Fragen der Anwesenden ein. Hier zeigte sich einmal mehr der hohe Bedarf an Informationen, Hilfe- und Therapiemöglichkeiten für die zunehmende Zahl von Traumaerfahrungen betroffener Menschen.
Die Caritas Biberach-Saulgau wird dieses Thema weiter vertiefen.